Hallo,
ich glaube du gehst von einem grundlegenden Denkfehler aus, wenn du erwartest einfach so tolle Tiere kaufen zu können.
Waren Taiwaner aufgrund ihrer "Empfindlichkeit" Anfangs Tiere für Profis, so sind sie inzwischen durch die entsprechende Hilfsmittel wie Soil, spezielle Aufhärtesalze und andere Hilfsmittel von Jedermann einfach zu halten und zu vermehren.
Das führt zu unterschiedlichen Phänomenen:
Die meisten sog. "Züchter" sind gar keine Züchter mehr. Sie sind Hobbyhalter, die irgendwann aus irgendwelchen Gründen mal Taiwaner gekauft haben und diese nun fröhlich vermehren, was Dank der entsprechenden Hilfsmittel simpel geworden ist.
Gleichzeitig wirbt der Handel mit solch tollen Hilfsmittel wie Polytase, Biozyme und wie sie alle heissen, die alle das Ziel haben das Wachstum und den Vermehrungserfolg der Tiere zu maximieren. Viele der Hobbyhalter nutzen diese Produkte, weil sie ja auch funktionieren und fühlen sich als erfolgreiche Garnelenhalter, weil sie riesige Anzahlen Jungtiere ins Fortpflanzungsalter befördern.
Dieser Denkansatz stammt aus der Lebensmittelindustrie, wo mit Speisegarnelen viel Geld verdient wird. Hier ist es zur Gewinnmaximierung natürlich erwünscht, wenn die Tiere schnell wachsen und sich kontinuierlich in großer Zahl fortplanzen. Schließlich will man sie zum Verzehr für gutes Geld verkaufen.
Allerdings hat da bis jetzt (oder es gibt ganz abgefahren denkende Gourmets mit unbegrenzten finanziellen Mitteln) noch niemand Wert auf eine Hinomaru- oder No-Entry-Zeichnung oder ausgefärbte Beinchen gelegt.
Also macht in der Speiseshrimp-Zucht dieser Denkansatz durchaus Sinn und auch die dazu notwendigen Hilfsmittel haben ihre Daseinsberechtigung.
Überträgt man diesen Denkansatz und diese Vorgehensweise jedoch auf das heimische Aquarium, kommt es automatisch zu Interessenkonflikten:
Klar freut man sich sehr, wenn Scharen von Minis durchs Becken wuseln, aber das hat mit Zucht dann wirklich nicht mehr viel zu tun, denn wirkliche Zucht bedeutet immer die Definition und das konsequente Verfolgen eines Zuchtziels.
Dies wird aber von 98% der sog. "Züchter" nicht umgesetzt, denn es würde bedeuten nicht nur 1 hübsches Becken mit Taiwanern im Wohnzimmer zu haben, sondern irgendwo müsste dann noch eine ganze Batterie Becken herumstehen, um die einzelnen Zeichnungen und Farbqualitäten zu selektieren und gezeilt weiterzuentwickeln.
Daher sind auch 99% der angebotenen Tiere qualitativ so variabel, weil sie sich einfach "nur" ungezielt vermehren durften. Das ist ja auch auch völlig ok, wenn man sich einfach an den Tieren erfreuen und ihnen ein gutes Zuhause bieten will. Allerdings geht das nur um den Preis, dass man eben keine perfekten Tiere hat, wobei "perfekt" ja auch wieder von der jeweiligen Definition (siehe Zuchtziel) abhängt.
Dein "Fehler" ist einfach, dass du dich vom Mythos "Taiwaner" hast blenden lassen, denn als Taiwaner noch nur in den Händen der Profis zu finden waren, waren das meist auch gleichzeitig richtige "Züchter", die ihr Hobby mit der notwendigen Infrastruktur und dem nötigen züchterischen Sachverstand betrieben haben. Allerdings haben solche Tiere auch einen ganz anderen Preis als der 08/15 Taiwaner, den man inzwischen für 5€ angeboten bekommt.
Um sich davon einen Eindruck zu verschaffen loht es, einfach mal über den Zaun zu den Hochzucht-Bees zu gucken:
1. Tiere die bei Championaten Preise gewinnen, werden nach ganz genau geregelten Vorgaben betrachtet. Schaut man sich diese Vorgaben (Farbqualität,Zeichnung, Körperbau etc.) einmal an, so stellt man fest, dass das "ideale" Tier sehr genau definiert ist. Letztendlich ist diese Definition jedoch nur Ausdruck eines öffentlichen ästhetischen Empfindens. Solange dies nicht mit Funktionalitätseinschränkunen und Deformation verknüpft ist (siehe seltsame Hunde ohne richtige Nase, zu kurze Zunge um vernünftig trinken zu können oder Katzen ohne Fell....) ist das in meinen Augen völlig ok.
Für den Einsteiger bedeutet dies, dass er sich Gedanken darüber machen muss, welches optische Ziel (Gesundheit der Tiere setze ich als selbstverständlich voraus) er umgesetzt sehen möchte.
Also lautet die Frage: "Wie sollen meine Wunschtiere aussehen?" zusammen mit der Erkenntnis, dass die ganzen Hobbyhalter höchstwahrscheinlich diese Frage für sich selbst noch nicht beantwortet haben und ihre Tiere zwar grob als Pandan, King Kong usw. einteilen können, sich aber über Feinheiten keine weiteren Gedanken gemacht haben.
2. Ist die Frage nach dem Ausehen geklärt folgt dann die Frage "Zu welchem Preis bekomme ich genau das was ich möchte ?" Schon hier wird klar, dass es dann auf einen Züchter hinausläuft, der bereits gezielt in die Richtung der Wunschtiere arbeitet.
Ein schönes Beispiel bieten hier auch wieder die Hochzucht-Bees: Eigentlich alle renommierten Züchter bieten ihre Tiere abgestuft an:
So gibt es immer Einsteiger-Tiere, die zwar prinzipiell die Anlagen zum jeweiligen Zuchtziel bieten, dieses Ziel ist aber nicht weit genug herausgearbeitet weshalb der Züchter diese Tiere im Vergleich zu den Top-Tieren recht günstig anbietet (wobei günstig immer auf den Preis der Top-Tiere zu beziehen ist). Letztendlich bedeutet Zucht ja nicht nur schöne Tiere zusammenzusetzen, sondern nicht "ideale" Tiere aus dem Nachwuchs zu entfernen, um das bereits Erreichte nicht wieder zu verwässern.
Der Käufer muss ich jedoch darüber im Klaren sein, dass er wahrscheinlich noch sehr weit vom "Ideal-Tier" entfernt ist und selbst viel Selektionsarbeit leisten muss.
Züchten hat auch etwas mit Wahrscheinlichkeiten und der Festigung bestimmter Merkmale zu tun. Betrachtet man z.B. einen Wurf, der neben allen möglichen Varianten zufälligerweise auch einige der Wunschkandidaten enthällt, so ist die nur dem Zufall geschuldet.
Separiert man die Wunschkandidaten und betrachtet deren Nachwuchs, so wird man feststellen, dass sich die Anzahl der "Ideal-Tiere" im Nachwuchs etwas erhöht hat, jedoch auch noch jede Menge anderer Tiere auftreten. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines gewissen Phänotyps zwa von Generation zu Generation, aber es bedarf konsequenten Selektieren über Generationen, um ein Merkmal zu festigen.
Was deine Tiere betrifft, so hast du wahrscheinlich den üblichen Mix aus einem Hobbybecken ohne großartige Selektion gekauft, und die Tiere wurden vom Vorbesitzer abgegeben, weil er eben zur Zeit so viele davon hat, dass es eng wurde.
Sicherlich kannst du auch daraus mit Geduld und planhaftem Vorgehen etwas machen, allerdings musst du dann die entsprechenden Infrastruktur dafür schaffen und das bedeutet, du musst für den Stamm mindestens 2 besser 3 Becken bereitstellen:
1. Becken der Top-Tiere
Und das Becken erkennt man dann daran, dass da nur wenige, aber wirklich die aktuellen Top-Tiere drin sind. Aus diesem Becken können Tiere entweder ins Beobachtungsbecken wechseln oder aber sie werden zu einem guten Preis direkt verkauft.
2. Das Beobachtungsbecken
Hier kommen alle Tiere rein, wo man noch nicht genau weiss wie sie sich entwickeln, bzw. kommen hier die alten Top-Tiere hinein, wenn die Vererbungslehre dir ein Geschenk macht und in einem Wurf sind plötzlich Tiere, die in Bezug auf das Zuchtziel einen riesigen Schritt nach vorn machen, und deswegen ihre Elterntiere als Toptiere ablösen.
Tiere, die sich während des Wachstums als qulitativ hochwertig erweisen, gehen von hier in das Becken der Top-Tiere, wenn es den Stamm weiterbringen würde. Gute Tiere, die nicht dem Zuchtziel entsprechen werden von hier direkt verkauft. Tiere die sich als nicht so schön erweisen gehen von hier in das Abgabebecken, um verkauft zu werden.
3. Das Abgabebecken
Hier sind alle Tiere drin, die definitiv nicht zum Zuchtziel passen und wo man sich ziemlich sicher ist, dass sie sich auch nicht in diese Richtung entwickeln (transparente Beinchen oder Fühleransätze werden z.B. auch später nicht farbig).
Zu Anfang wird das Abgabebecken das am besten besuchte Becken sein, während im Toptier-Becken relative Leere herrscht. Mit der Zeit sollte sich der Schwerpunkt dann auf das beobachtungsbecken verlagern, da man dem Zuchtziel immer näher kommt und somit die Zahl der völlig abweichenden Tiere abnehmen sollte.
Für den Klein-Züchter empfiehlt sich hier ein etwas größeres Becken zu teilen und über Bodenfilter einen gemeinsamen Wasserkreislauf aufzubauen, das erleichtert das Selektieren, weil man direkt von einem ins andere Becken umsetzen kann. Jedoch ist das Schicksal der Tiere im Bezug auf Erkrankungen immer aneinander gekoppelt.
Als Fazit kann man sagen, dass man wirklich gut vorselektierte Tiere nur äußerst selten in Shops antrifft, einfach weil die Shops vielmehr Masse vorhalten müssen, um viele Kunden bedienen zu können. Daher würde ich mir, wie schon wiederholt beschrieben, immer selbst bei einem "richtigen" Züchter aussuchen wollen.
VG vom Himalaya
Yeti