Himmel, bei 80 auf kurviger Strecke und dann Schafe auf der Straße
Jupp. Oder so nah im Graben, dass der Hintern schon auf der Fahrbahn lag.
So habe ich meinen Kumpel þorbjörn Hrúturson kennengelernt. Ihr wisst schon, den flauschigen kleinen Kerl, mit dem ich mich für die erste Seite dieses Threads hatte ablichten lassen.
Hoffentlich hats nicht an die Scheibe geklopft?
Stand auch niemand im gelben Friesennerz am Wegesrand?
Hui, zum Glück nicht. Aber aus irgendwelchen Gründen summte Mortifera ab und an dieses hier vor sich hin:
Nun denn, Kameradinnen und Kameräder,
Auf geht's in die letzte Reiseberichtrunde.
Unsere letzte Reiseetappe führte uns vom Osten über Kirkjubærjarklaustur in die Nähe von Hvolsvöllur. Das bedeutete, dass wir uns den großen Gletschern näherten - und damit auch der aktiven Vulkanzone.
Die Gletscher sieht man ab Höfn direkt an der Straße, was ziemlich beeindruckend ist, wenn man Gletscher mag. Wenn man mag, kann man an einem von vielen kleinen Parkplätzen anhalten und sie sich näher betrachten:
Am linken und unteren Bildrand sieht man, wie sich das Schmelzwasser der Gletscherzunge als einer von vielen "Jökulsá (Gletscherfluss)" den Weg Richtung Meer bahnt. Je nach Temperaturen führen diese Flüsse mehr oder weniger Wasser, besonders viel im späten Frühjahr, wenn der Schnee des Winters schmilzt, oder wenn darunter liegende Vulkanzonen sich erhitzen. Zum Beispiel, weil aufsteigende Wärme nach draußen abgeleitet wird oder weil der Vulkan demnächst ausbricht. Ende Juli waren ein, zwei kleinere Straßen ins Landesinnere (Landmannalaugar
) sicherheitshalber gesperrt: Einer der Gletscherflüsse unter dem Massiv des Myrdalsjökull bei Múlakvisl führte plötzlich mehr Wasser und dieses roch zudem verdächtig schwefelig-chemisch. Man hatte Sorge, dass eine kleine Spalteneruption des Katla bevorstünde und/oder dass sich giftige Dämpfe aus einer Kammer aufgestaut und den Weg nach draußen gesucht hätten, da nämlich gleichzeitig an dieser Stelle des Gletschers die Erdspannung anstieg. Da dieser Fluss auch unter der Ringstraße durchfloss, hatte man dort aus Sicherheitsgründen bereits Barrieren aufgebaut, die im Zweifelsfall innerhalb weniger Minuten zur Sperrung hätten verwendet werden können. Wer will schon von einer Flutwelle aus entzündlichem Gletscherwasser fortgerissen werden? Eben. Zu einer Sperrung kam es jedoch nicht, da sich die Situation innerhalb von zwei Tagen wieder normalisierte. Der Berg hatte lediglich etwas überschüssigen entzündlichen Dampf-Druck abgelassen (ich würde das ja anders nennen, aber ich habe Manieren). Wer Interesse an Geologie hat, kann auf den Seiten des isländischen Wetterdienstes zum Beispiel verfolgen, wo es in den vergangenen 48 Stunden Erdbeben auf der Insel gegeben hat oder wo andere vulkanisch-geologische Phänomene stattfinden. Dazu wird über Streckensperrungen, Lawinengefahr, das Wetter und im Winter auch über die Polarlichtvorhersage berichtet:
http://en.vedur.is/
Unser nächster Halt, von Mortifera lang ersehnt, war jedoch dieses hier - ihr kennt es bereits, es ist die Gletscherlagunge von Jökulsárlón:
Das blaue Eis, der Himmel, der Gletscher...
Wir waren alle ganz hin und weg. Die Gletscherzunge des
Breiðamerkurjökull kalbt hier in einen bis zu 248m tiefen See aus Gletscherwasser, der einen direkten Abfluss ins Meer hat. Das führt zu zwei Phänomenen: Gelegentlich treiben Eisberge aus der Lagune bis an den (schwarzen) Strand in der Nähe, was mächtig beeindruckend aussieht. Und manchmal, bei stärkerem Tidenhub oder starkem Wind landeinwärts, wird Meerwasser in die Lagune gedrückt. Es ist also sozusagen ein halb-und-halb See, der aus diesem Grund auch Robben beherbergt, die dort nach Fischen tauschen. Was bei 4°C Wassertemperatur sehr, sehr sportlich ist. Wir haben welche gesehen, sie sind echt flink und gleiten ganz geschmeidig und lautlos durchs Wasser. Und sind dabei auch noch recht niedlich. Das Schwarze auf den Eisbergen ist übrigens Lavastaub.
Funfact: Auf diesem See wurden schon Bond-Filme gedreht!
Auch die Wasserfalltour war noch nicht beendet, als nächstes folgte der Stjórnarfoss:
Beeindruckend grüne Hänge links und rechts und bei sonnigen 18 Grad ließ es sich dort durchaus aushalten.
Am nächsten Tag wartete Kap Dyrhólaey auf uns. Das liegt kurz westlich hinter Vík i Myrdal und hat zum Beispiel dieses hübsche Häuschen zu bieten:
Noch interessanter waren jedoch zum einen der Strand, der als einer der schönsten der Welt gilt (aber nur teilweise für Menschen begehbar ist, da es an anderen Stellen aufgrund der Strömungsverhältnisse zu sogenannten Sneaker Waves kommen kann: Das sind Wellen, die ohne Vorwarnung und ohne entsprechende Anzeichen deutlich größer über die Brandung hinwegfegen und dabei mitreißen, was ihnen im Weg steht. Wenn man beim Aufprall am Strand nicht umgeworfen wird, dann spätestens, wenn der irrsinnig starke Sog einen ins saukalte Wasser mitreißt. Erst vor einigen Monaten sind durch eine solche Sneaker Wave an diesem Strand Touristen gestorben. Es gibt Absperrungen und Warnschilder, bebildert und mehrsprachig, dass und warum man nicht zu nah ans Wasser gehen sollte, aber hey, was interessiert das den Touristen im Selfie-Modus... Deswegen gilt auf Island als goldene Strandregel: Drehe dem Wasser niemals den Rücken zu und geh nicht zu nah an die Wasserlinie oder an den Rand von Klippen. Island ist alles andere als ein Disneyland, auch wenn leider manche Touristen das nicht verstehen möchten.):
Es gibt übrigens auch Strandabschnitte, wo man gefahrlos hingehen kann. Zumeist erkennbar an den Parkplätzen.
Weswegen wir aber eigentlich hergekommen waren, sind diese Gesellen:
Puffins! Also, Papageientaucher bzw. auf Isländisch Lundi. Diese brüten von Juni bis August auf Island, an Steilküsten und überhängenden Klippen, bevor sie den Rest des Jahres auf dem offenen Meer verbringen. Kap Dyrhólaey ist mit der beste Ort um sie zu beobachten, da man recht nah herankommt und sie so auch ohne illegale und gefährliche Klettermanöver beobachten kann. Auch viele der vorgelagerten Inseln wie die Westmänner, Grimsey oder Papey eignen sich hervorragend zum Beobachten. Für Mortifera sehen die Puffins aus wie eine Mischung aus Papagei und Pinguin. Die kleinen schwarzen Stummelflügelchen sorgen für einen sehr witzig anzuschauenden Flugstil, vor allem beim Start - umso beeindruckender, dass sie 10 Monate des Jahres auf See verbringen. Das Jungtier links ist schon sehr groß und wird demnächst ohne seine Eltern losziehen. Nach diesem Vormittag hörte Mortifera jedenfalls endlich auf, permanent zu fragen, ob wir denn auch wirklich Papageientaucher sehen würden. Puh.
Back to the waterfalls: der Skógafoss
In der Nähe von Hvolsvöllur liegt der Museumshof Keldur. Eigentlich sind wir nur hingefahren, weil wir gerade in der Nähe waren und nach Lopapeysa-Shopping in Hella (da entstand das zweite Pferdefoto) nicht so recht wussten, was wir mit dem späten Nachmittag noch anfangen sollten. Dann waren wir aber sehr positiv überrascht, wie schön die Landschaft dort ist und wie informativ der Hof.
Keldur wird seit dem 17. Jahrhundert bewirtschaftet. Da es auf Island seit den Zeiten der Wikinger (Holzschiffe, Holzhäuser, Feuerholz) einen eklatanten Mangel an Bäumen gibt, mussten sich die Menschen beim Bau ihrer Häuser anderweitig behelfen. Einige Bauern hatten Konzessionen, um Treibholz von Stränden und Flussbetten einzusammeln und natürlich wurden alte Boote etc. direkt weiterverwendet. Geheizt wurde mit Dung und beleuchtet mit Seehundtran. Hier sieht man, dass die Mauern der Häuser so aus Stein angelegt wurden, dass gemeinsam mit einem Torfdach die Häuser im Prinzip eingewachsen waren. Die Fronten dieser Häuser hier (ein Vorratslager, eine Schmiede, eine Schlachterei und ein Werkzeugschuppen) wurden im 19. Jahrhundert mit Holz erneuert, denn damals entstand ein Handel mit Dänemark, der auch Holz nach Island brachte.
Das eigentliche Wohnhaus der Farm ist etwas größer, wurde später zweistöckig ausgebaut und wurde bis in die 1940er Jahre bewohnt - ziemlich beeindruckend, sich das auszumalen, wenn man dort drinsteht. Sehr dunkel, eng und um 1900 herum lebte dort der Farmer mit seiner Frau und seinen 24 Kindern (!). Immer zwei Menschen in einem Bett, sitzend. Nichts für Leute mit Angst vor engen Räumen. Hier gibt es Fotos von Innen:
https://guidetoiceland.is/connect-with-locals/regina/keldur-turf-houses-in-south-iceland
Hier sieht man zwei Steinhütten, die nach gleichem Prinzip in klein gebaut wurden: Sie dienen auch heute noch als Unterstand für Lämmer, damit diese besser durch fiese Wetterverhältnisse kommen.
Was bleibt zum Abschluss der Reise? Ein Bild des prominenten Eyjafjallajökull, der im Jahr 2010 zuletzt Schlagzeilen machte, als er den Flugverkehr über den Atlantik und in Europa lahmlegte:
Und ein Abschiedsbild von eurer Reisegarnele vor heimeligem Interieur:
Ich hoffe, euch hat mein Bericht gefallen. Wenn ihr noch was wissen mögt oder so, könnt ihr euch vertrauensvoll an Mortifera wenden. Ich bin ja schon weitergezogen. Und außerdem habe ich den Eindruck, dass Mortifera noch eine ganze Weile lang sehr, sehr gern über Island sprechen wird.
Alles Gute und viele Grüße
Euer Gonzales