Hallo,
ich denke hier liegt ein gewisses Missverständnis bei Gebrauch der Begrifflichkeit "Boom" vor, denn wenn mit Boom gemeint ist, dass nicht mehr automatisch horrend hohe Preise für bestimmte Zuchtformen bezahlt werden, dann ist der Boom wohl vorbei. Ist jedoch gemeint, ob Garnelen beliebte und häufig gehaltene Haustiere sind, so hält der Boom, in meinen Augen, unvermindert an.
Woran mache ich diese Meinung fest?
Zum einen stellt das Garnelenhalter-Klientel einen wichtigen Faktor dar.
Es gibt z. B. Lifestyle Aquarianer, die ein Aquarium als primär als Zierrat für ihre Wohnung betrachten bzw. ein Aquarium haben möchten, weil es gerade in ist.
Der Wunsch nach einem Haustier ist da oft zweitrangig. Einige von denen haben Glück, und werden ernsthaft mit dem Aquaristik-Virus infiziert und entwickeln sich zu ernsthaften Haltern, die umpriorisieren und plötzlich den Schwerpunkt im Aquarium selbst sehen. Bei anderen bleibt es ein Strohfeuer, weil man eben für einen Einrichtungsgegenstand nicht anfangen möchte
Das ist in meinen Augen auch eine Nebenwirkung der aufkommenden Nano-Aquaristik, da hier oft mit Life-Style-Begriffen geworben wurde und wird. Kleine Becken sind nämlich keine neue Erfindung und das 40x25x25cm 25L Standardbecken gibts schon länger. Lediglich das Aufkommen der Garnelen bot auf einmal Tiere, die man längerfristig in solch kleinen Becken halten konnte, ohne sich der permanenten Anfeindung durch tierschutzorientierte Kollegen ausgesetzt zu sehen, weil die dauerhafte Haltung von Fischen in diesen Becken von artgerechter Haltung weit entfernt war.
Hier finden sich auch oft die Leute, die ihre Tiere mit einer "Geiz ist geil"-Mentalität kaufen. Dadurch, dass die Tiere um ihrer selbst Willen keinen wirklichen Wert haben, sondern nur Accessoire des Aquariums sind, fehlt auch das Bewusstsein für den Wert der Tiere.
Auch kommt es da dann oft zu völlig unpassenden Besatzzusammenstellungen, weil nach Optik gekauft wird und nicht nach den Bedürfnissen der Tiere. Das Becken schaut dann aus wie die UN-Vollversammlung mit Delegierten aus aller Herrn Länder und birgt auch entsprechendes Konfliktpotential. Im "günstigsten" Fall passen nur die Wasserwerte nicht, im ungünstigsten wird ausgeblendet, dass Barsche und Garnelen nun mal keine guten WG-Partner sind.
Ein anderer Punkt ist, dass es inzwischen relativ einfach geworden ist Garnelen zu halten, wenn man die Grundregeln beachtet. Somit ist der Markt voll mit Abgabetieren. Klar geht das zu Lasten der Qualität, denn wenn früher ein Züchter die Tiere nur mit einem entsprechend hohen Aufwand vermehren konnte, so hat er diesen Aufwand natürlich nur da eingesetzt, wo er sich einen entsprechenden Erfolg davon versprochen hat. Auch musste eine entsprechenden Anlage angeschafft und betrieben werden, um erfolgreiche Selektionszucht betreiben zu können.
Die Hobbyhalter mit 2-3 Becken können das nicht leisten. Gleichzeitig sind sie aber auch nicht bereit "minderwertige" Tiere auszusortieren (z.B. als Lebendfutter ins Barschbecken). Die meisten haben ja noch ein "Gnadenbrot/und Lebensabend-Becken", wo sich die Tiere auch vermehren.
Somit ist es logisch, dass sich heute eine viel größere Anzahl von Tieren auf dem Markt tummelt, was sich im Preis wiederspiegelt. Garnelen sind auch irgendwo normal geworden.
Auch muss man mal einen Blick in die Zoohandlungen werfen: Dort werden zwischenzeitlich mit Masse Neocaridinas angeboten. Warum? Ganz einfach: Die haben die besten Chancen im UN-Vollversammlungsbecken zu überleben. Gefressene Shrimps zählen nicht, aber tot im Becken liegenden Shrimps machen Ärger mit dem Kunden, wenn der nicht einsieht, dass die Tiere nicht zu seinen Wasserwerten passen. Auch machen die Weichwassergarnelen mehr Arbeit in der Verkaufsanlage, denn tot Garnelen kann man nicht verkaufen, also muss man ihnen passendes Wasser bieten.
Geld wird in der Aquaristik hauptsächlich über Verbrauchsmaterial und Zubehör verdient. Die Tiere sind eigentlich nur dazu da, den Verbraucher des Futters darzustellen. Im öffentlichen Dienst oder beim Militär nennt man so etwas den "Bedarfsträger", der einen Bedarf generiert, der das Ausgeben von Geld oder die Schaffung von Stellen für die Deckung des Bedarfs rechtfertigt.
Wie Johannes und Frank schon angedeutet haben, gibts die Cracks und eingefleischten Garnelenhalter immer noch. Dieses Klientel ist auch bereit für entsprechend hochwertige Tiere zu zahlen, weil es eben Liebhaberei ist. Die wissen auch, wo sie nach solchen Tieren Ausschau halten müssen, bzw. haben die nötigen Kontakte in der Szene. Die Szene gibt es nämlich immer noch, nur eben nicht mehr so offensichtlich und expandierend.
Auch in den Foren wird immer noch fleissig diskutiert, aber dort finden sich eben nur die Leute an, die geregelt diskutieren und nicht mit den Wildwüchsen und verbalen Ausfällen auf Facebook konfrontiert sein wollen. Ein Forum kann da mehr bieten, allerdings fordert es auch mehr, denn die Community verlangt auch immer eine gewisse Eigenleistung als Voraussetzung zur weiteren Hilfe und eben nicht die Einstellung alles serviert haben zu wollen. Das sind dann aber andere Themenkomplexe.
Ich halte es nach wie vor so, dass meine Tiere IMMER ihren Preis haben und es Gratis-Shrimps nur selten oder bei wirklich größeren Abnahmemengen gibt. Ich lasse auch im Preis nicht mit mir handeln und teile den Interessenten frühzeitig mit, dass sie sich mit unsinnigen Preisvorstellungen gleich wieder vom Hof machen können.
Das bin ich meinen Tieren auch schuldig, denn der Preis ist das Einzige, was sie vor schlechter Behandlung schützt, wenn es richtig im Geldbeutel weh tut, wenn jemand seine Tiere durch Faulheit, Beratungsresistenz oder Gleichgültigkeit um die Ecke bringt. Das rechtfertigt keine überzogenen Preise, aber einen angemessenen und vernünftigen Preis allemal.
Auch habe ich wiederholt die Erfahrung gemacht, dass die Tiere aufhören sich zu vermehren, wenn die Tragfähigkeit des Lebensraumes erreicht ist. Das geht sogar soweit, dass tragende Weibchen ungefähr eine Woche nach Verkauf einer größeren Gruppe (so 20-30 Stück) Tiere auftauchen, wenn zuvor Vermehrungsstopp war. Die Shrimps merken das ganz gut von allein.
Daher bin ich keinesfalls gezwungen Tiere zum Dumping-Preis abzugeben, weil es angeblich zu voll wird. Lediglich das idyllische Bild vom einsam meditierenden Zen-Shrimp auf der Mooskugel ist eben bei entsprechender Besatzdichte nicht mehr drin.
Das soll auch nicht bedeuten, dass ich zwanghaft immer Geld für meine Shrimps sehen möchte, denn ich habe schon Tiere an Schüler verschenkt, wenn die gut informiert waren und ich das Gefühl hatte, dass das läuft. Sie mussten eben nur bereit sein ihr Geld in das "Drumherum" (Soil, Technik etc.) zu stecken, damit die Haltungsbedingungen für die Weichwassergarnelen gegeben waren. Wenns dann nicht mehr für die Tiere gereicht hat, habe ich dann auch schon mal 10-15 Stück Startbesatz hergeschenkt.
Auf der anderen Seite habe ich auch schon Leute vom Hof gejagt (bildlich gesprochen), die einen 7 Jahre alten Laptop mit kaputtem Akku gegen 150 Garnelen tauschen wollten.
VG vom Himalaya
Yeti